Abstract von Klaus Jacob
Welcher Policy-Mix fördert chemie-politische Innovationen? - eine empirische Bestandsaufnahme
V17 Klaus Jacob,
Freie Universität Berlin Forschungsstelle für Umweltpolitik
Ihnestr. 22, 14195 BerlinPolitikwissenschaftliche Forschungen zu Innovationswirkungen von Umweltpolitik zeichnen ein komplexes Bild staatlichen Handelns und dessen Wirkungen, dass in den folgenden Thesen und Überlegungen charakterisiert werden sollen. Zunächst wird zu den methodischen Grundüberlegungen der Politikanalyse und dem umweltpolitischen Stellenwert einer auf Innovationen setzenden Modernisierungsstrategie Stellung bezogen, dann wird das Regulierungsmuster als analytische Grundlage einer innovationsorientierten Umweltpolitik eingeführt. Abschließend wird dieser Ansatz anhand von zwei Beispielen empirisch demonstriert.
Bisherige Umweltpolitik orientierte sich überwiegend an der Diffusion bekannter Technologien. Ein 'Technology forcing' durch Umweltpolitik ist auch im internationalen Vergleich eine Ausnahme (z.B. Conrad 1998). Das ökonomische und ökologische (Entlastungs-) potenzial ist dabei erheblich: Eine Reihe von Umweltproblemen - nicht alle - lassen sich mit einer ambitionierten Modernisierung von Prozessen und Produkten mildern. Dies trifft im besonderen Maße auf die chemische Industrie zu. Sowohl Produkte als auch Herstellungstechnologien lassen sich prinzipiell durch jeweils andere ersetzen. Letztlich geht es dabei nur um eine Bewertung der ökonomischen und ökologischen Effekte möglicher Alternativen.
Wie kann Umweltpolitik Innovationen stimulieren, die zu Umweltentlastungen führt? Es gibt nach dem Stand der Forschung kein einzelnes umweltpolitisches Instrument, dass für sich genommen in der Lage wäre, Innovationen - je nach Perspektive - zu erklären oder hervorzurufen. Auch klug konstruierte ökonomische Instrumente, die in Modellrechnungen wohl erprobt sind, scheitern an den strukturellen und situativen Bedingungen, die eine Implementierung unwahrscheinlich machen. Beurteilt man also Politikempfehlungen nicht nur nach ihrer Effizienz, ihrer Effektivität und ihrer Verteilungsgerechtigkeit, sondern auch nach der politischen Machbarkeit, dann kann eine - zudem besonders riskante - Strategie nach dem Motto 'ein Problem, ein Instrument, eine Lösung' als ein kaum realistisches Planspiel abge-tan werden. Statt eine modelltheoretisch geleitete Perspektive einzunehmen, profitiert die Policy-Analyse vom Blick von unten - einer Perspektive, die von empirisch beobachtbaren Verhaltensänderungen (hier: Innovationen) ausgeht und mögliche Ursachen insbesondere im Hinblick auf politische Interventionen zurückverfolgt (Jänicke/Weidner 1995, Jacob 1999a).
Vergleichende Studien, die diesen Ansatz verfolgen, zeigen, dass eine Reihe von unterschiedlichen politischen Faktoren das Innovationsgeschehen beeinflussen können. In großen Überschriften sind hier zu nennen die Instrumentierung, die Akteurskonfiguration und der Politikstil (Jänicke 1997, Blajzeckak et al 1999). Diese Faktoren können als das Regulierungsmuster analytisch gefasst werden und in Form von Hypothesen operationalisiert werden. Als Regulierungsmuster kann, in Anlehnung an einen Definitionsvorschlag der OECD die Summe aller kalkulierbaren Regeln, Vorgehensweisen und Handlungskontexte im Gegenstandsbereich staatlicher Steuerung verstanden werden (OECD 1997, Jänicke 1997). Regulierung wird also in einem weiten Sinne verstanden und nicht auf spezifische Interventionsformen bezogen.
Dieser Ansatz wird zunächst anhand der Entwicklung der Chlorproduktion in Deutschland erprobt: Nach einer Phase des stetigen und starken Wachstums in den 60er und 70er Jahren gab es deutlich verlangsamte Wachstumsraten in den 80er Jahren, die auf eine Sättigung hindeuten und Ende der 80er Jahre kam es zu einem Einbruch der Produktion.
Was war passiert? Die Chlorchemie war als ein besonders riskanter Teil der Branche in die umweltpolitische Diskussion geraten. Die internationale Ächtung von FCKW, die Debatten um chlorierte Lösemittel, PVC Verbote von zahlreichen Kommunen, die Dioxindiskussion hatten einen deutlich erkennbaren Einfluss auf die Branche hinterlassen. Von umweltoffen verwendeten und persistenten chlorchemischen Produkten hat sich die chemische Industrie weitgehend verabschiedet, mit der Ausnahme von PVC. Beim letzteren wird eine Modernisierung des Werkstoffes angestrebt, durch Verzicht auf kurzlebige Anwendungen, besonders problematische Zusatzstoffe und Recyclingangebote unterschiedlicher Qualität. Weite Teile des Stoffflusses Chlor sind jetzt auf Zwischenprodukte z.B. in der Polyurethanherstellung konzentriert. Diese Veränderungen sind allenfalls in Ausnahmefällen auf eine rechtliche Normierung zurückzuführen - die politische Diskussion um die Chlorchemie und die damit verbundenen umweltpolitischen Zielbildungsprozesse scheinen viel entscheidender für die Branche gewesen zu sein (Jacob 1999b).
Als ein weiteres Beispiel für die Innovationswirkungen von Umweltpolitik über Einzelinstrumente hinaus lassen sich die Einzelstoffe heranziehen, die im Rahmen der BUA Aktivitäten im Hinblick auf ihr Risikopotenzial bewertet worden sind. Im Rahmen einer Studie wurden 182 BUA Berichte ausgewertet im Hinblick auf politische, ökonomische und soziale Faktoren des verminderten Gebrauchs besonders gefährlicher Stoffe (Jacob 1999a). In gut einem Drittel (36%) der untersuchten Fälle zeigen sich Verbrauchsrückgänge. Diese lassen sich aber nur ausnahmsweise auf unmittelbare rechtsförmige Regulierung zurückführen. Stattdessen lassen sich typische Verläufe chemiepolitischer Auseinandersetzungen um Einzelstoffe in Form einer Regulierungsspirale darstellen, in deren Verlauf die Regulierungsintensität immer weiter zunimmt und gleichzeitig das Eigeninteresse der Hersteller an einer Substitution eines Problemstoffes wächst.
Der Policy Mix' hat also alle Phasen des politischen Prozesses zu berücksichtigen, von der Problemdefinition, über die Zielbildung, der Instrumentierung und deren Implementation, bis hin zur Wirkungskontrolle, wenn erfolgreich Innovationen stimuliert werden sollen. Dabei sind spezifische Strategien zur Optimierung der jeweiligen Phasen notwendig: So sind frühzeitige Innovateure anders anzusprechen, als Nachzügler in der Branche. Die Problemdefinition kann systematisch und vor allem nicht nur auf Einzelstoffe bezogen erfolgen, um für sich bereits Innovationseffekte hervorzurufen. Eine Wirkungskontrolle trägt zur Sicherung der Diffusion und Richtungssicherheit innovativer Verfahren bei und kann systematischer als bisher eingesetzt werden.Blazejczak, Jürgen/Edler, Dietmar/Hemmelskamp, Jens/Jänicke, Martin (1999): Umweltpolitik und Innovation: Politikmuster und Innovationswirkungen im internationalen Vergleich. In: In: Zeitschrift für Um-weltpolitik und Umweltrecht. Jg. 22 (1999), H. 1, S. 1-32.
Conrad, Jobst (ed.) (1998): Environmental Management in European Companies. Success Stories and Evaluation. Amsterdam: Gordon and Breach Science Publishers.
Jacob, Klaus (1999a): Innovationsorientierte Chemikalienpolitik. Politische, soziale und ökonomische Faktoren des verminderten Gebrauchs gefährlicher Stoffe. Herbert Utz Verlag, München 1999.
Jacob, Klaus (1999b): Ökologische Modernisierung und Strukturwandel in der Chemischen Industrie: Der Fall Chlorchemie. FFU-Report 1999-2.
Jänicke, M. (1997): Umweltinnovationen aus der Sicht der Policy-Analyse: vom instrumentellen zum strategischen Ansatz der Umweltpolitik. Berlin, Forschungsstelle für Umweltpolitik, FFU-Report 97-3.
Jänicke, Martin/Weidner, Helmut (Hrsg.) (1995): Successful Environmental Policy. A Critical Evaluation of 24 Cases. Berlin, edition sigma.
OECD (1997): Reforming Environmental Regulation in OECD Countries, Paris.
zuletzt geändert am 15.02.2000