Abstract von Lothar Lißner
Chemische Substitutionsprogramme - eine Bestandsaufnahme
V20 Lothar Lißner,
Kooperationstelle Hamburg
Besenbinderhof 60, 20097 HamburgDie Kooperationsstelle DGB-Gewerkschaften /Hochschulen hat in den vergangenen Jahren mehrere internationale Projekte zum Thema der Substitution gefährlicher Stoffe in innerbetrieblichen Verfahren durchgeführt. Drei internationale branchenbezogene Transferprojekte (Druck, Bau- und Metallindustrie) hatten zum Ziel, in Kooperation mit den betroffenen Akteuren Innovation und Substitution fördern. Hinzu kamen weitere Vorhaben, etwa zu Erfolgsbedingungen von Substitution und zur praktischen Unterstützung von Substitution.
Eine große Öffentlichkeitswirkung in der Substitutionsdebatte haben in Deutschland nur einige Stoffe und Stoffgruppen erzielt: Asbest und seine Ersatzprodukte, PCP in Holzschutzmitteln, PCB in der Elektroindustrie, Produkte mit möglichen Dioxinverunreinigungen, PVC, Nitrosamine in der Gummiindustrie, Formaldehyd, chlorierte Kohlenwasserstoffe FCKW, Lösemittel in Farben/Lacken, in Klebstoffen oder als Reiniger, Schwermetalle in Farben/Zement/Kunststoffen und anderen Produkten.
Die gesetzliche Situation zur Förderung von Substitution ist durch folgende Situation geprägt. Eine generelle Substitutionsverordnung (GefStoffV, 1986) wird durch wenige konkrete Substitutionsregelungen ergänzt (TRGS), darüberhinaus existieren einige freiwillige Vereinbarungen. Die Überwachung der Substitutionsvorschriften ist lückenhaft. Systematische Ersatzstoffforschung und -entwicklung gibt es nicht.
Wichtige Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit etwa rund 150 Betrieben und ihren Verbänden in der Frage der Substitution lassen sich stichwortartig zusammenfassen:
1. Die Innovationsfähigkeit der beteiligten Akteure wird überschätzt, ihre Beharrungsfähigkeit unterschätzt. Dies gilt für Arbeiter wie für Betriebe, aber auch für Zulieferer und wissenschaftliche Brancheninstitute. Management von Innovation ist Management von Nicht-Routineprozessen, die bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten unerwünscht, bei hoher Auslastung unbeliebt sind. Sie erfordern häufig Mehrarbeit, reduzieren nicht selten die alltägliche Bequemlichkeit des Funktionierens und tragen Risiken ungewollter Veränderung in sich.
2. Diese generelle Unbeweglichkeit führt dazu, daß bei einer neuen Technik / einem Substitut sehr umfassend Auskunft verlangt wird - etwa zu Recyclingfähigkeit, biologischer Abbaubarkeit oder zu vorhandenen Restgehalten toxischer Stoffe. Die Fragen sind berechtigt, allerdings werden sie nicht ernsthaft auch für marktübliche Chemikalien gestellt, die Antworten würden vermutlich zum Absturz vieler üblicher Chemikalienanwendungen führen müssen. Die - angeblich - gewünschte vollständige Risikoermittlung war und ist ein wesentliches Hemmnis für Substitution.
3. Wichtiger Träger der Innovation sind in der Regel einige engagierte Betriebe, deren Erfolge "sich branchenintern herumsprechen". Die Betriebe müssen mit eigenem Risiko, z.B. Haftung, Neues ausprobieren. Dabei sind bestimmte Betriebstypen aufgrund ihrer Produktionstechnik benachteiligt, da sie während laufender Produktion kaum neue Produkte testen können (Zeitungsrotation).
4. Die Vertreiber von Chemikalien spielen eine unterschätzte Rolle. Sie sind oft Vertrauenspersonen und wesentliche - oft einzige - Informationsquelle für den Betrieb. Vertreiber bevorzugen einfache "shoot and forget"-Technologien, die mit einem Mindestmaß an zusätzlicher Instruktion im Betrieb eingesetzt werden können.Nur zur Information
Anhang: Projekte und Aktivitäten der Kooperationsstelle SUBSPRINT:
Innovationsprojekt in der Druckindustrie zum Ersatz von leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffen durch VOC-freie hochsiedende Pflanzenölester, in 13 Ländern von 1992 - 1996
VofaPro: Forschungsprojekt zur technischen Eignung von Estern in der Metallindustrie, Farben- und Lackindustrie und Druckindustrie in vier Ländern, 1995-1997
SUMOVERA: Projekt in der Bauindustrie zum Ersatz von mineralölbasierten, lösemittelhaltigen Betontrennmitteln durch VOC-freie Trennmittel auf Basis von Pflanzenölen, 1996 -1998
SPHERE+: Substitution Projects for Health and Environment. Lessons from Results and Experiences, Studien in 12 EU-Ländern, 1997 -1999
MetalVOC: Projekt zur Einführung der lösemittelfreien Reinigungstechnik in die Metallbranche in drei Ländern, LIFE, 1997 bis 2000
Campaigns: Studie zu Arbeitsschutzkampagnen in Europa, Erstellung eines Guides, 1999-2000
Topic Centre Dangerous Substances, Entwicklung einer Gute-Praxis Datenbank, 1999 -2001
Workshop zum Thema "Stand der Gefahrstoffsubstitution am Beispiel Lösemittel in den EU-Mitgliedsstaaten und Bedarf an Informationen in den Mitgliedsstaaten und der Industrie" im Oktober 1999
Kühlschmierstoff- und Lösemittelkampagne mit dem IGM Bezirk Küste
TRGS-Arbeitskreise zu Kühlschmierstoffen und hochsiedenden Kohlenwasserstoffen des BMA
zuletzt geändert am 15.02.2000