Abstract von Konrad Hungerbühler
Bedingungen und Methoden eines zukunftsorientierten "multicriterial chemical process design"
V21 Konrad Hungerbühler,
Umwelt- und Sicherheitstechnologie am Laboratorium für Technische Chemie
Universitätsstrasse 31, CH-8092 ZürichIm Gegensatz zur Basischemie, wo neben der besten Prozesstechnologie heute der global günstigste Standort immer entscheidender wird, gewinnt in der Spezialitätenchemie die Innovationsgeschwindigkeit für immer hochwertigere chemische Produkte und Dienstleistungen mehr und mehr an Bedeutung. Mit einem gegenüber dem Produkt und den involvierten Dienstleistungen zunehmend geringen Gewicht von Technik und Herstellungsprozess entstehen neue Schlüsselgrössen für das erfolgreiche Prozessdesign in der Spezialitätenchemie:
· Minimale "Time to Market"
· hohe Anforderungen an die Prozessflexibilität
· Sicherstellung von Produktqualität und Lieferfähigkeit
· Erfüllung zunehmend strengerer EHS-Rahmenbedingungen.
Immer mehr ist es dabei die Aufgabe des Prozessdesigns, optimale Herstellungsverfahren für neue Produkte in bestehenden Mehrzweck-Batchanlagen zu entwickeln. Unter dem Gebot einer weitgehenden Investitionsvermeidung (spart Zeit, Geld und verhindert Flexibilitätsverlust) dürfte die typische Problemstellung des künftigen Prozessdesigns in der Spezialitätenchemie wie folgt aussehen:
Gegeben:
· (1) Produkt (von hoher chemischer Komplexität) mit (2) Menge (öfter klein) und (3) Qualität (hoch)
· (4) vorhandene Mehrzwecktechnologie mit (5) vorgegebener Infrastruktur (Hilfsbetriebe für Energiebereitstellung, Entsorgung etc.).
Gesucht:
· Optimale Verfahren (Synthese, Aufarbeitung und Entsorgung) im Hinblick auf möglichst rasche und sichere Realisierung, hohe Flexibilität, Erfüllung der EHS-Auflagen und günstige Herstellkosten.
Der Designprozess führt dabei idealerweise in einer iterativen Vorgehensweise von der Variantengenerierung über die Prozessanalyse zur Bewertung. Durch zielgerichtetes iteratives Vorgehen gilt es, das Dilemma einer jeden Entwicklung (nur hier durch den grossen Zeitdruck besonders ausgeprägt) zu überwinden: Grosse Freiheitsgrade bei geringer Wissensbasis in frühen Entwicklungsphasen - geringe Freiheitsgrade (dafür hohe Fehlerkorrekturkosten) bei grösserer Wissensbasis in späten Entwicklungsphasen. Klare Zielfunktionen, Rahmen- und Randbedingungen, Parallelisierung der Arbeit, interdisziplinäres Teamapproach, breite Variantenevaluation in frühen Entwicklungsphasen und nicht zuletzt eine multikriterielle stufengerechte Beurteilung unter Einbezug der Unsicherheit kann helfen, dass trotz Komplexität und Zeitdruck die Chancen eher genutzt und die Probleme - nicht zuletzt im EHS-Bereich - eher erkannt und ursächlich angegangen werden können.
Ausgehend von diesem Problemverständnis geht der Vortrag an Hand von praktischen Beispielen kurz auf Methoden der Variantengenerierung ein und setzt sich in der Folge mit Möglichkeiten und Begrenzungen einer multikriteriellen Bewertung von chemischen Prozessen auseinander. Ökoeffizienz und inhärente Sicherheit stehen bei diesen Betrachtungen als Leitbild besonders im Vordergrund.
zuletzt geändert am 15.02.2000